Fiktion und Realität: das europäische Asyl-System

Artikel für Jugendliche zur Aktualisierung des europäischen Asylrechts Ende 2012

Ein Wettbewerb der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema
Flüchtlinge bei uns – zum Leben zu wenig?
richtet sich an Klassen 5 bis 11, Einsendeschluss ist der 1. Dezember

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Bis zum Jahresende will sich Europa auf eine einheitliche Regelung des Asylsystems geeinigt haben.

Der Countdown läuft. Ein kurzer Überblick

Foto: Philipp Hertzog // GNU Free Documentation Licens

 

Stimmen zur aktuellen Lage

 

“Das Gemeinsame Europäische Asylsystem sollte Schutzsuchenden überall in der Europäischen Union gleiche Chancen bieten. Dieser Anspruch ist bis heute Fiktion geblieben.” resümiert Michael Lindenbauer von der UNO-Flüchtlingshilfe e.V. den Stand der Diskussion. Doch Europa stehe “nicht vor einer unlösbaren Aufgabe.”

Die zuständige EU-Komessarin Cecilia Malmström gibt zu: “Die europäischen Versprechen, Menschen in Not zu helfen, wurden in jüngster Zeit gründlich auf die Probe gestellt und Europa hat bei dieser Prüfung kollektiv versagt.”

UN-Flüchtlingskommissar Guterres nannte das bislang bestehende europäische Asylsystem “extrem dysfunktional”.

 

 

Menschenrechte müssen im Vordergrund stehen

 

Der Europarat in Straßburg ist institutionell nicht mit der EU verbunden, sondern ein eigenes Staatenbündnis, dessen wichtigster Vertrag die Europäische Menschenrechtskonvention ist.

Es stellt kein gutes Zeugnis für die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik dar, wenn Fehlentwicklungen und Missstände erst dann zur Kenntnis genommen werden, wenn höchstrichterliche Entscheidungen dies erfordern.

 

 

Das Zerrbild der Bedrohung

 

Allen Bedrohungsszenarien zum Trotz ist die Zahl der Asylsuchenden in Europa auch im letzten Jahr nicht exorbitant gestiegen.

Die transkontinentale Flucht beherrscht zwar in Europa die Debatte und das öffentliche Bild von Flucht und Vertreibung. Es ist aber ein Zerrbild, gemessen an den Fakten.

Laut UNHCR (UNO-Flüchtlingshilfe e.V.) befinden sich derzeit weltweit etwa 44 Millionen Menschen auf der Flucht oder leben in einer “flüchtlingsähnlichen” Situati­on.

80 bis 85% der Flüchtlinge können keine großen Wege zurücklegen und bleiben in der Herkunfts­region. Viele schaffen es nicht, die eigene Staatsgrenze zu überwinden.

Flüchtlinge, die in anderen Ländern Schutz suchen, leben weit überwiegend außerhalb Europas. 2011 stellten insgesamt 53.347 Menschen einen Asylantrag in Deutschland. Über 43.362 Fälle wurde im gleichen Jahr enschieden. Lediglich 1,5 Prozent davon wurden als Flüchtlinge anerkannt, weitere 20,8 Prozent erhielten einen anderen Aufenthaltstitel und 54,7 Prozent erhielten einen Ablehnungsbescheid.

Einige hundert minderjährige Flüchtlinge kommen jährlich ohne Eltern nach Deutschland.

Die meisten Flüchtlinge, die 2011 einen Asylantrag stellten, kamen aus Afghanistan, gefolgt von Irak, Serbien, Iran, Syrien.

Dabei beherbergten bisher Staaten wie Pakistan, Iran und Syrien viel mehr Flüchtlinge als die reichen Staaten des Westens.

Umso mehr ist auch hier die Solidarität der Europäer gefragt. Zum Beispiel, indem das auf freiwilliger Basis beruhende gemeinsame EU-Resettlement Programm so rasch wie möglich eine Dimension erreicht, die den Möglichkeiten Europas entspricht.

 

 

Braunschweig hat der save-me-Kampagne zugestimmt

 

Der Braunschweiger Rat hat im Februar dem Antrag der Linken zugestimmt, Braunschweig möge sich an der bundesweiten save-me-Kampagne beteiligen.

Die Stadt hat sich damit grundsätzlich bereit erklärt, Flüchtlinge im Rahmen eines Resettlementprogramms der Bundesregierung dauerhaft aufzunehmen und bestmöglich zu integrieren. Die Verwaltung wurde beauftragt, darauf hinzuwirken, dass Flüchtlinge nicht nur in den Sammelunterkünften in der Boeselagerstraße sondern auch in dezentralen Unterkünften untergebracht und in das gesellschaftliche Leben der Stadt integriert werden.

Was aus dem Beschluss geworden ist, gilt zu prüfen.

 

 

Deutschland wird Schlüsselfunktion zuteil

 

Auch wenn bereits etwas getan wird: die Aktionen liegen weit hinter den Möglichkeiten.

In den USA werden seit langem jedes Jahr konstant rund 55.000 Flüchtlinge aus Erstzufluchtsländern aufgenommen. In der EU gibt es derzeit nicht einmal 5.000 Resettlement-Plätze.

Hier mehr Verantwortung zu übernehmen ist das Gebot der Stunde. Deutschland spielt hierbei eine Schlüsselrolle.

Die Innenministerkonferenz hat mit ihrem Beschluss, in den nächsten drei Jahren jeweils 300 Flüchtlinge aus Erstzufluchtländern aufzunehmen, einen begrüßenswerten ersten Schritt gemacht. Weitere müssen folgen.

Michael Lindenbauer: “Deutschland und Europa sind gefordert, nicht überfordert, beim globalen Resettlement eine Führungsrolle zu übernehmen.”

 

 

Die Frage nach Klärung ist dringlich

 

Im letzten Jahr starben etwa 2000 Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen.
Oftmals wird Booten, die in Seenot geraten sind, die Hilfe verweigert. Weiterhin werden jährlich zahlreiche Flüchtlinge ohne nähere Überprüfung ihrer Umstände einfach abgewiesen und abgeschoben, in ihre Herkunftsländer oder zurück an andere Zwischenstationen ihrer unfreiwilligen Reise.

Außengrenze der EU – Grenzzaun in Melilla. Foto: fronterasur. Dieses Bild steht unter einer Creative Commons-Lizenz.